Beitrag von Judith Hazdra
In meine Psychotherapiepraxis kommen immer wieder Eltern mit ihren Kindern, die sich gerade in der schwierigen Phase der Trennung und/oder Scheidung befinden.
Meist sind es Frauen, die auch schon im Vorfeld ihren Kindern Unterstützung zukommen lassen möchten, da sie wissen, dass das, was sie erwartet, schwierig werden wird.
Meistens allerdings sind es Elternteile, die mit Problemen konfrontiert werden, die sich erst nach der Trennung ergeben: Schulprobleme, Aggressionen in Kindergarten/Schule/Familie, Trennungsängste, Tic-Störungen, Probleme mit neuen Partnerinnen.
Die Therapiemöglichkeiten richten sich nach dem Alter der Kinder. In der Spieltherapie werden die Familiensituationen nachgespielt oder mit vielen Gegenständen (wir nennen sie Intermediärobjekte) ersetzt. Emotionen werden viel Raum geboten. Man darf sein, wie man sich gerade fühlt. Wir lernen Emotionen zu benennen und auszudrücken. Wir versuchen uns in andere hineinzuversetzen.
Kinder haben viele Fragen, Gefühle und Sorgen um die Eltern. Aus Rücksicht und Angst, sie könnten die Eltern kränken, drücken sie sie nicht aus. Introvertierte Kinder schließen sich oft ein und werden immer stiller, weinen vielleicht oft „grundlos“, sind überängstlich, trauen sich nicht weg von zu Hause, von Mama und Papa. Extrovertierte Kinder werden noch unruhiger, aggressiver und lauter, streiten mehr.
Was zu Hause nicht geht, geht meist im Therapieraum – der neutrale Boden. Bereits 4-5jährigen Kindern kann ich meine Verschwiegenheitsverpflichtung erklären, als Geheimnis, das in unserer gemeinsamen großen Schatzkiste Platz hat und dort gut aufgehoben ist.
Im gemeinsamen Spiel zeigt mir das Kind, wo es emotional „der Schuh drückt“. Ist es die Wut, die Angst, die Sorge, die Traurigkeit. Oft braucht es eine kleine Änderung durch eine zusätzliche „Helferfigur“ und es kommt Bewegung ins Spiel. Es traut sich plötzlich etwas, bekommt Mut, fühlt sich doch nicht so einsam, holt sich Hilfe.
Dadurch kann man den Kind vermitteln, dass es nicht allein ist und vor allem, dass es nicht Schuld ist an den Problemen der Eltern und ihrer Trennung. Ich habe noch kein Kind erlebt, dass nicht auch glaubt, dass wenn es nun wieder „brav“ ist, die Eltern sich wieder vertragen und zusammenkommen.
All das ist ein längerer Prozess und fordert Geduld ein von den Eltern. In vielen Elterngesprächen versuche ich ihnen die Welt, wie Kinder sie sehen zu erklären und nachvollziehbar zu machen.
Ältere Kinder und Jugendliche, die sich in der Pubertät befinden, erleben die Trennung der Eltern aus einem anderen Entwicklungstand. Ihnen kommt oft die notwendige Identifikationsfigur abhanden. Manche werden zum „Partnerersatz“ und übernehmen eine „Erwachsenenrolle“ in der Restfamilie. Das überfordert und bringt neue und andere Probleme mit sich.
Eltern, die sich gerade trennen, wollen eigentlich immer, dass ihre Kinder dadurch nicht leiden. Das funktioniert allerdings so nicht. Meistens ist der Paarkonflikt dermaßen im Vordergrund, dass die Probleme der Kinder an den Rand gedrängt werden. Persönliche Kränkungen verdecken die großen Sorgen und Ängste der Kinder. Eskalieren die Auseinandersetzungen um Kontaktrecht und Unterhaltszahlungen, landet der ganze emotionale Berg auf den Kindern. Oft ist das der Moment, wo Mütter Zugeständnisse machen, damit die Kinder nicht länger dem Ganzen ausgesetzt sind.
Was man dagegen tun kann, damit es nicht soweit kommen muss/kann?
Viel und wenig:
- Holen sie sich in Vorfeld Unterstützung (wenn es geht gemeinsam mit dem Partner) – vor allem rechtlich und psychologisch.
- „Elternthemen“ haben nichts bei den Kindern verloren.
- Verabschieden sie sich von der Vorstellung, dass die Kinder nicht unter der Trennung leiden werden.
- Versuchen sie, so gut es geht die Kommunikationswege zum Partner offen zu halten.
- Vermeiden sie Streitsituationen vor den Kindern.
- Sprechen sie mit ihren Kindern und versuchen sie in kindgerechter Form die neue Situation zu erklären.
Natürlich ist man darauf angewiesen, dass beide Seiten sich darum bemühen wollen. So und sooft gelingt das nicht. Die Macht der Kränkung, wie sie schon Reinhard Haller in seinem gleichnamigen Buch beschrieben hat, verursacht Trennungsgeschichten, die für alle Beteiligten und vor allem für Kinder, großes Leid bedeuten.
Vieles hat man in der Hand, aber eben nicht alles.
Unsere Aufgabe ist es, das was man machen kann, zu tun und das, was man nicht ändern kann, anzunehmen.
Die Autorin
Judith Hazdra lebt und arbeitet in Ottakring seit über 35 Jahren. Die Arbeit mit Kindern bestimmte von Anfang an ihr Leben. Als Pädagogin in einer Wiener Hauptschule, jetzt Mittelschule, fing sie 1985 an und führt bis heute eine Klasse. Dann gründete sie eine eigene Familie, die mittlerweile um einige Enkelkinder angewachsen ist. Die Ausbildung zur Psychotherapeutin folgte fast logischerweise. Seit 2012 ist sie in eigener Praxis tätig. Fast acht Jahre davon war sie auch im Kinderhilfswerk aktiv. In dieser Zeit absolvierte sie auch die Zusatzqualifikationen in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Traumapsychotherapie für Kinder und Jugendliche und Hypnotherapie. Heute unterstützt sie Kinder, Jugendliche und deren Eltern in schwierigen Lebensphasen.