Prof.in Dr.in Mag.a Dagmar Hackl, MEd, Pädagogin, Mitglied und Aktivistin bei AÖF und FEM.A
Drei Töchter, acht Enkelkinder, begleitet ein Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren einer Tochter und zweier Enkelkinder seit 5 (!) Jahren.
Das seit dem KindschaftsNamRÄG 2013 geltende Kindschaftsrecht in Österreich hat die Beachtung des Kindeswohls sowie der Kinderrechte in Trennungsfällen nach häuslicher Gewalt (jedweder Form – physisch, psychisch, sexuell und ökonomisch) permanent verschlechtert.
Langjährige, 3 bis 6 Jahre und mehr dauernde Obsorgeverfahren sind keine Ausnahme mehr und die an manchen Familiengerichten üblichen mehrmaligen Richterwechsel in einem Verfahren (z.B. 6 – sechs – Richter*innen innerhalb 5 Jahren Verfahren) verhindern eine – gerade in dieser für die Familien und besonders für die Kinder extrem belastenden Lebenssituation – die unbedingt notwendige fortlaufende Verfahrenskontinuität.
Anstatt die Verfahren besonders für die Familienrichter*innen zu vereinfachen, bringt eine nicht aufeinander abgestimmte, unkoordinierte und ohne umfassendes Qualitäts-/Kontroll-Management agierende „Industrie“ von gesetzlich vorgesehenen Verfahrensbeteiligten (Gutachter*innen, Familiengerichtshilfe, Ämter für Jugend und Familie, Kinderbeistände, Erziehungsberater*innen, …) ein hohes Maß an Unruhe, Subjektivität und zusätzliche Belastung statt Unterstützung für die Betroffenen.
Die Konsequenzen sind dramatisch!
Kinder werden in steigendem Maße und immer häufiger zu „Wechselobjekten“ zwischen den Wohnungen der Elternteile degradiert. Die von den Kindern im Sinne ihres Partizipationsrechts vorgetragenen Kontaktwünsche zu ihren Vätern, von denen sie Gewalterlebnisse zu verarbeiten haben, werden in den meisten Fällen als ausschließlich von den Müttern manipulierte Aussagen und Wünsche eingestuft und nicht berücksichtigt.
Das stereotype Bild der streitenden, ja feindseligen, psychisch labilen Mutter, die mit ihrem Verhalten den Kindern schadet und diese dem Kindesvater entfremden will („Entfremdungs-Syndrom“, „Bindungsintoleranz“), wird zum Narrativ, das oft genug erzählt, die wahren Schutz-Intentionen der handelnden Mütter verdeckt und ins Gegenteil verdreht.
Die Täter-Opfer-Umkehr der Väter nach häuslicher Gewalt wird zum Status-Symbol „ungerecht behandelter“, die ausgeübte Gewalt intensiv leugnender Väter und stärkt ihnen immer erfolgreicher bei ihren umfassenden, weil Unterhaltszahlungen schonenden, Kontaktwünschen den Rücken.
Gleichzeitig werden Mütter nachweislich nach anhaltendem Widerstand gegen zu rasche und zu weitreichende unbegleitete Kontaktforderungen der Täter-Väter in Angst und Schrecken versetzt. Es wird auf sie immer öfter Druck ausgeübt, man würde ihnen die Kinder entziehen, wenn sie sich nicht endlich bereit erklärten, einer großzügigen Kontaktregelung zum gewaltbereiten Vater zuzustimmen. Gewalt gegen Gewalt.
Das vorliegende Konzeptpapier zur Novellierung des KindNamRÄG-Gesetzes von 2013 gießt an vielen Stellen mit zukünftig angedachten neuen gesetzlichen Vorgaben „Öl ins Feuer“.
„Bin ich ein Paket, das man einfach so hin und herschicken kann? Aber ja, ich weiß, ich bin ja nur ein Kind und habe nichts zu sagen“ (11-Jährige / 2021 nach einer vom Gericht zwangsweise und gegen ihren ausdrücklichen Willen verordneten Kontakt-Ausweitung mit Übernachtungen beim gewaltbereiten Kindesvater)
Daraus ergeben sich Forderungen und Wünsche BEVOR eine Novellierung des KindschaftsNamRÄG 2013 stattfinden kann:
- Wesentlich verbesserte Ressourcenausstattung der Familiengerichte
- Ein CONSCIUS BIAS Training für Richter*innen am Familiengericht, um Funktionsweisen von Narrativen, Stereotypen, dogmatisch ideologischen Einflüssen auf den Fortgang eines Verfahrens und das eigene Unterbewusstsein zu verstehen, wirkungsvolle Handlungsoptionen zu entwickeln und in Entscheidungssituationen unter Unsicherheit komplexe Urteile zu vereinfachen. Somit sollen systematische Verzerrungen und Abweichungen von rationalen Entscheidungen verhindert werden.
- Aufbau einer Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für alle dem Gericht zuarbeitenden Institutionen („Instrumente der Gerichtsbarkeit“)
- Koordinierung und aufeinander nach Dringlichkeit geordneter Einsatz dieser dem Gericht zuarbeitenden oder von diesem beauftragten Institutionen (transparenter „Untersuchungsplan“ pro Verfahren)
- Verbot von jahrelang dauernden Mehrfachbefragungen der Kinder – der Kinderbeistand als einziges Sprachorgan für die betroffenen Kinder
- Verbot von Missachtung und Abwertung des Partizipationsrechtes der Kinder unter dem Deckmantel „Mütter manipulieren die Kinder immer zu diesen Aussagen“
- Keine zwangsweise verordneten übermäßigen Kontaktrechte und Übernachtungen auf Basis von Narrativen wie „Elternrechte/Vaterwohl gehen VOR Kinderrechte/Kindeswohl“
- Strikte Trennung von Betreuungszeiten und Kindesunterhalt – Anerkennung der mütterlichen Betreuungsleistungen bereits in aufrechter Ehe/Partnerschaft durch Anspruch auf Betreuungsunterhalt gegen vollerwerbstätigen Ehegatten/Partner