Studien

Im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte wurde nicht nur in Österreich und Deutschland, sondern europaweit eine Fülle an Studien zu Obsorge und Kontaktrecht durchgeführt. „Allerdings“, so schreibt Claus Koch, Diplompsychologe aus Heidelberg und Experte für Trennungsfamilien „liegen bislang noch keine aussagekräftigen, die jeweiligen Modelle untereinander vergleichenden Langzeitstudien vor, denn dazu ist das Wechselmodell einfach zu neu. Hinzu kommt, dass der jeweilige Forschungshintergrund bei der Bewertung einzelner Modelle eine durchaus wichtige Rolle spielt. So plädieren bindungsorientierte Autoren eher für das Residenzmodell, weil es besonders den jüngeren Kindern eine enge Bindung wenigstens an eine Bezugsperson, zumeist an die Mutter, ermöglichen würde. Andere wiederum, zum Beispiel Jurist*innen und Politiker*innen, denken oft weniger an das, was den Kindern guttut, als mehr an eine gut funktionierende Lösung auch hinsichtlich von finanziellen Zuwendungen, um damit verbundene gesellschaftliche Kosten oder auch langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Daneben spielen aber gesellschaftliche Faktoren wie zu Beispiel die Neubestimmung der Elternrolle bei Frauen und Männern eine Rolle und haben entsprechenden Einfluss auf die wissenschaftliche Forschung und Abwägung von verschiedenen Betreuungsmodellen.“ (Koch in: „Trennungskinder“, Patmos Verlag)
In der Praxis betätigen sich manche Wissenschaftler*innen selbst als Lobbyist*innen für das eine oder andere Modell. Dies wird besonders deutlich am Beispiel von Deutschland, wo die Professorin für Familienrecht Hildegund Sünderhauf den Bundestag in Familienrechtsangelegenheiten berät. Sie ist eine ausgesprochene Wechselmodell-Befürworterin. Die Frage, wann ein Wechselmodell als sinnvoll erscheint, wird in Deutschland jedoch kontroversiell betrachtet. Als Gegenpol zu Sünderhauf tritt etwa die Pädagogin Kerima Kostka auf.
Ähnlich wird auch die Diskussion in Österreich von einigen wenigen Wissenschaftler*innen dominiert, deren Ergebnisse nicht nur in die Rechtsprechung, sondern auch in die Ausrichtung der kommenden Gesetzesreform und in der Praxis in die fachliche Ausrichtung der Familiengerichtshilfe einfließen.
Die Initiative „Wir für Kinderrechte“ fordert daher unabhängige Studien von Forscher*innen-Gruppen, die keinerlei Verbindung zu politischen Entscheidungsträger*innen haben. Allein diese Studien sollen als Entscheidungsgrundlage für eine Novellierung des Kindschaftsrechts herangezogen werden dürfen. Weiters fordern wir eine der Meta-Analyse der Narrative im Familienrecht ähnliche Studie wie die vom Soziologen Wolfgang Hammer für Deutschland vorgelegte . Wir hoffen dadurch eine ähnliche Entkoppelung von wissenschaftlicher Realität und Ideologie zu erreichen, die als Basis für jegliche weitere Entscheidung oberste Priorität haben sollte.
DAS WECHSELMODELL –
eine kritische Sicht auf die 50/50-Betreuung von Kindern nach der Trennung der Eltern
Dokumentation der Fachtagung am 22.6.2018