Kindeswohl heißt es überall, aber dieses Wohl ist nicht einmal am Papier garantiert

Mag.a Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser – AÖF

Das KindschaftsNamRÄG aus dem Jahr 2013 hat erfahrungsgemäß zu einer massiven Verschlechterung für Frauen/Mütter und deren Kinder geführt. Die Auswirkungen sind gravierend. Der Druck auf Mütter und deren Kinder hat enorm zugenommen, seitens der Behörden, der Väter und der Gesellschaft.

Das Konzept zur Elterlichen Verantwortung ist aus mehreren Gründen höchst problematisch, weil

  1. die tatsächlichen Lebensrealitäten von Frauen als Mütter ausgeblendet werden
  2. der Schutz der Kinder, das Wohl der Kinder und die Kinderrechte nicht gebührend behandelt werden
  3. häusliche Gewalt/Partnergewalt an Frauen und Kindern nicht oberste politische Priorität einnimmt
  4. weil uns wichtige Informationen fehlen bzw. vorenthalten werden

Weit entfernt von einer Gleichstellung zwischen den Geschlechtern

Wir sind in Österreich von einer echten und tatsächlichen Gleichstellung weit entfernt und diese Kluft wird immer größer. Wir erleben einen massiven Rückschritt, Frauen werden noch mehr zurückgedrängt. Das war bereits vor der Corona Krise der Fall, vor allem durch unfaire Maßnahmen wie die Einführung des familien- und frauenfeindlichen 12-Stunden-Tags und des Familienbonus, der Steuerreform, etc. wo wieder nur die besserverdienenden und besserqualifizierten Frauen und Familien profitieren. Frauen erleben auch einen enormen Backlash durch die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen, wie Lockdowns, Homeschooling und Homeoffice. Eine Erhebung hat ergeben, dass Homeoffice nur von 9% der Väter übernommen wurde. Frauen übernehmen noch immer den Großteil der Care-Arbeit für Kinder und für pflegende Angehörige und dennoch gibt es keinen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Die Last schultern die Frauen und Mütter in unserer Gesellschaft.

Wir wissen, ab dem Zeitpunkt, wenn Frauen Kinder bekommen, nimmt das Einkommen von Frauen ab! Wir sind noch weit entfernt von einer ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen*!

Gleichstellung kann nicht erst bei der Trennung und Scheidung durch eine gesetzlich verordnete „Elterliche Verantwortung“ gewährleistet werden. 

Kinderschutz und Kindeswohl nur am Papier

Österreich hat die Kinderrechtskonvention ratifiziert und in den Verfassungsrang erhoben, Österreich hat auch die Istanbul-Konvention ratifiziert, aber in der Realität können wir Kinder und Jugendliche nicht ausreichend gegen Missbrauch und Gewalt schützen.

Ein geschütztes und sicheres Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen steht oft nur am Papier.

Das gilt auch für das Konzept der Elterlichen Verantwortung. Die Berücksichtigung des Kinderschutzes vor allem im Zusammenhang mit Obsorge und Trennung benötigt eine eigene und umfassende Behandlung. Eine solche war im Rahmen der Sitzungen im Ministerium zu familienrechtlichen Änderungen nicht gegeben

Gewalt an Kindern ist die häufigste Form der häuslichen Gewalt

Und dennoch wurde Partnergewalt und häusliche Gewalt nur nebensächlich behandelt und das, obwohl das Ausmaß der häuslichen Gewalt bekanntlich enorm hoch ist und vor allem bei Trennung und Scheidung der Eltern zu gefährlichen ja sogar Hochrisikosituationen für Mütter und Kinder kommen kann bis hin zum Mordversuch und Mord. Bestürzend ist der Anstieg an Frauenmorden, von denen natürlich auch die Kinder der ermordeten Frauen schwer betroffen sind.

Fehlende Informationen und Fakten

Bevor es zu einer Reformierung des Kindschaftsänderungsgesetzes kommt, braucht es eine umfassende Evaluierung und Beantwortung folgender Fragen, die bisher niemand beantworten konnte, obwohl dies immer wieder eingefordert wurde:

  • Wie häufig sind Kinder von häuslicher Gewalt betroffen?
  • Wie gut schützen Einstweilige Verfügungen Kinder vor Gewalt?
  • Wie viele Anträge werden jährlich gestellt, wie viele erlassen?
  • Wie oft behalten Gefährder die Obsorge?
  • Wie oft gibt es Auflagen an Gefährder zum Schutz der Opfer?
  • Wie oft wird die Obsorge bei Gewalt von Amts wegen eingeschränkt oder entzogen?
  • Wie kann der Schutz der Kinder verbessert werden?
  • Wie werden das Kindeswohl und die Rechte der Kinder auf ein Leben ohne Gewalt gesichert?
  • Was ist notwendig, um den Schutz zu verbessern?

Wir fordern daher dringend:

  • eine umfassende Evaluierung und Beantwortung dieser oben genannten Fragen
  • eine unabhängige Evaluierung der Berichte von psychologischen GutachterInnen/Sachverständigen und FamiliengerichtshelferInnen
  • eine Zusammenführung von Fakten und Daten von Strafgericht/Strafanzeigen, Familiengericht, Gewaltschutzgesetz und Sicherheitspolizei. Erst wenn sichergestellt ist, dass Kinder und Mütter vor Gewalt geschützt sind und alle Fakten auf dem Tisch liegen, kann es eine Pflegschaftsentscheidung im Sinne des Kindeswohls und des Wohls der Mütter geben.
  • Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen und die Gewalt per Gesetz zu verhindern
  • Aussetzung des Kontaktrechts bei häuslicher Gewalt. Einen Kontakt einem Gewalttäter und Gefährder zuzusprechen ist Kindeswohlgefährdung und Gewalt an Frauen und Müttern.
  • die Verpflichtungen der Istanbul-Konvention zu befolgen und einzuhalten:

Sämtliche in der Istanbul-Konvention eingegangenen Verpflichtungen der Republik Österreich zum Schutz von Frauen und Kindern vor jeder Form von Gewalt, insbesondere häuslicher Gewalt aller Ausdrucksformen muss von allen Behörden und Gerichten sowie von diesen beauftragten verantwortlichen Personen, insbesondere auch in Pflegschaftsverfahren, umgesetzt und beachtet werden. Gemäß Art 31 IK hat sich Österreich verpflichtet, sicherzustellen, dass alle Gewalttaten (also neben körperlicher und sexueller, auch psychischer Gewalt) bei Entscheidungen über das Kontaktrecht und die Obsorge berücksichtigt werden.

Weiters hat sich Österreich verpflichtet, sicherzustellen, dass die Ausübung der Obsorge und des Kontaktrechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet. Gemäß den Erläuterungen der IK (175) soll mit dieser Bestimmung dafür Sorge getragen werden, dass Gerichte keine Pflegschaftsentscheidungen erlassen, ohne dabei Gewalt zu berücksichtigen.

  • Wir fordern die verpflichtende Schulung über Gewalt an Frauen und Kindern, über Gewaltdynamiken, über Täterstrategien etc. für alle Justizbeamt*innen – Richter*innen, Staatsanwält*innen, Anwält*innen, Verfahrensanwält*innen, Familiengerichtshilfe, Gutachter*innen, Dolmetscher*innen und Kinderbeistände, aber auch Sozialarbeiter*innen vom Amt für Kinder und Jugendhilfe.
  • Wir fordern ein Vertretungsrecht für Opferschutzeinrichtungen, wenn Mütter und Kinder nicht gut vertreten werden und generell.
  • Ebenso fordern wir die Deckelungen von Verfahrenskosten – Frauen/Mütter werden finanziell ausgeblutet!

Weiters gefordert, wie bereits mehrfach genannt:

  • Hände weg von jeder Art von Doppelresidenz per Gesetz im Pflegschaftsverfahren, denn die geplante und per Gesetz verordnete „Doppelresidenz“ mit einem ausgedehnten Kontaktrecht entspricht weder dem Kindeswohl noch der Berücksichtigung der Kinderrechte und einer Mitbestimmung der Mütter.
  • Hände weg von der automatischen gemeinsamen Obsorge ex lege – beide sind gewaltfördernd auf allen Ebenen. Die geplante Einführung einer automatischen gemeinsamen Obsorge ex lege entzieht Frauen und werdenden Müttern das gänzliche Selbstbestimmungsrecht. Eine Mutter kann dann nicht mehr darüber entscheiden mit wem sie die Obsorge teilen möchte. Der biologische Vater – egal ob er das Kind will oder nicht, egal ob der Vater eine Beziehung zur Frau und dem Kind hatte oder nicht, er kann Obsorge beantragen und bekommt Recht. Solche erzwungenen Maßnahmen führen automatisch zu Gewalt an Frauen und Kindern.
  • Entkoppelung der Betreuungszeit von der Höhe des Unterhalts.